Am Samstag, dem 5. Juli, haben Claudine Felten, Direktorin von natur&ëmwelt a.s.b.l. und Roby Biwer, Präsident von natur&ëmwelt a.s.b.l. im Luxemburger Wort, einen Analyse- und Meinungsartikel zur Zukunft der europäischen Agrar- und Umweltpolitik veröffentlicht.

Eine historische Weichenstellung für Europas Natur

Voraussichtlich stellt die Europäische Kommission übernächste Woche ihren Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU ab 2027 und damit auch den Vorschlag zur Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vor. Diese Entscheidungen prägen, wie wir in Europa in den kommenden Jahrzehnten mit unserer Natur, unserer Landwirtschaft und unseren öffentlichen Geldern umgehen.

Was dabei auf dem Spiel steht, ist enorm. Die Klimakrise ist längst Realität: Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen betreffen Millionen Menschen. Auch die biologische Vielfalt schrumpft dramatisch – mit Folgen für unsere Gesundheit, Ernährung und Sicherheit. Trotz bestehender EU-Gesetze wie der Vogelschutz- und Habitat-Richtlinie oder der neuen Nature Restoration Law hinkt die Umsetzung massiv hinterher. Der Grund ist simpel: Es fehlt an Geld und politischem Willen.

Natur ist keine Nebensache – sie ist unsere Lebensversicherung

Gesunde Ökosysteme wie Wälder, Feuchtgebiete, Wiesen und Flüsse sind kein „nice-to-have“. Sie kühlen unsere Städte, reinigen Wasser, schützen uns vor Überschwemmungen und sichern unsere Ernährung. Doch Europas Natur ist schwer beschädigt – und die bisherigen Mittel reichen nicht aus, um den Trend zu stoppen oder umzukehren.

Laut neusten EU-Schätzungen braucht es jährlich rund 37 Milliarden Euro, um die Biodiversität in Europa zu sichern und wiederherzustellen. Diese Investitionen sind entscheidend, damit die EU-Staaten ihre Naturschutzziele erreichen – etwa durch Anreize für Landwirt*innen und andere Flächennutzer, ökologisch nachhaltige Praktiken umzusetzen und durch die gezielte Unterstützung von Renaturierungsmaßnahmen im Einklang mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Das wären nur etwa 5 Prozent des jährlichen EU-Haushalts, jedoch mit großem Mehrwehrt. Besonders deutlich zeigt sich das beim LIFE-Programm, dem wichtigsten EU-Instrument zur Finanzierung von Naturprojekten. Obwohl es nur 0,3 Prozent des Budgets beansprucht, hat es eine enorme Wirkung.

Das gilt auch für Luxemburg: In den letzten Jahren flossen über 15 Millionen Euro aus dem LIFE-Programm in konkrete Projekte im Land – etwa zur Renaturierung von über 1.000 Hektar Fläche, zum Pflanzen von Hecken und Bäumen, zur Wiederherstellung von Flusslandschaften und zur Förderung seltener Arten. Diese Investitionen zahlen sich aus – ökologisch wie ökonomisch.

Doch das LIFE-Programm steht vor einer ungewissen Zukunft. Wenn wir dieses Instrument nicht stärken, verlieren wir ein zentrales Werkzeug für nachhaltige Entwicklung in Europa – und damit auch in Luxemburg.

Agrarpolitik neu denken – für Bauern, Bürger und Natur

Ein weiteres zentrales Thema ist die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Bislang fließt rund ein Drittel des gesamten EU-Budgets in die GAP – doch große Teile davon fördern intensive Landwirtschaft, die Böden, Wasser und Artenvielfalt schädigt. Pestizide, Monokulturen und Übernutzung verschärfen die Probleme, die sie eigentlich lösen sollen.

Dabei ist klar: Ohne gesunde Böden, Bestäuber und funktionierende Ökosysteme gibt es keine sichere Lebensmittelproduktion. Viele Bäuerinnen und Bauern spüren das längst – Wetterextreme und Ernteausfälle setzen ihnen zu und verursachen schon jetzt durchschnittlich 28,3 Milliarden Euro Schaden pro Jahr. Tendenz steigend: Bis 2050 könnten es 40 Milliarden jährlich sein. Und viele wären bereit, umweltfreundlicher zu wirtschaften, wenn sie dafür gezielt unterstützt würden.

Deshalb muss die GAP nach 2027 neu ausgerichtet werden, um den Übergang des Agrarsektors zu unterstützen und Landwirt*innen zu motivieren, im Einklang mit der Natur zu wirtschaften. Damit diese Vision Wirklichkeit wird, muss die nächste GAP verbindliche Umweltzahlungen enthalten – mit einem größeren Budget als 2027 und mit weiter wachsendem Umfang. Öffentliche Gelder sollten in Betriebe fließen, die aktiv zum Klima-, Boden- und Naturschutz beitragen – das ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft.

Luxemburgs Verantwortung: Zukunft aktiv mitgestalten

Luxemburg ist ein kleines Land – aber mit großer Stimme in Brüssel. Gerade jetzt kommt es auf unsere politischen Vertreter:innen an: die Regierung rund um Premierminister Luc Frieden, der luxemburgische Landwirtschaftskommissar Christophe Hansen und unsere Europaabgeordneten tragen Verantwortung dafür, wie sich der EU-Haushalt entwickelt. Es reicht nicht, die Natur zu schützen, wenn es politisch gerade passt – sie muss dauerhaft und strukturell unterstützt werden.

Luxemburg sollte sich klar positionieren: für ein dezidiertes EU-Budget ausschließlich für Naturschutz und Wiederherstellung, für den Erhalt und die Aufstockung des LIFE-Programms, für eine ambitionierte Umsetzung des Nature Restoration Law und für eine Agrarpolitik, die nachhaltige Betriebe belohnt statt Umweltprobleme zu subventionieren. Unsere Landwirt:innen und unsere Natur verdienen keine Lippenbekenntnisse – sie brauchen eine verlässliche Finanzierung.

Jetzt handeln – bevor es zu spät ist

Die Verhandlungen zum neuen EU-Haushalt und zur GAP sind keine technische Detailfrage. Es geht um die Frage, wie wir in Europa leben wollen. Wenn wir jetzt nicht massiv in die Wiederherstellung unserer Ökosysteme und in eine Agrarwende investieren, wird der Preis später unermesslich sein – für uns, unsere Kinder und unsere Lebensgrundlagen.

Wer Natur im Budget oder der Politik vergisst, gefährdet unsere Zukunft. Es ist Zeit, die Prioritäten richtig zu setzen – und auch Luxemburg muss seine Verantwortung dafür übernehmen.